Während ich das schreibe, sieht es ganz danach aus, dass Trump die Wahlen in den US gewinnen wird. Damit steht wohl fest, dass sich das schreckliche Schauspiel, das seine erste Amtszeit war, wiederholen, wenn nicht überbieten wird.
Was sich auch bereits ankündigt, ist das ewig gleiche Zur-Schau-Stellen von Verwunderung, mit dem Journalist*innen stets die Wahlerfolge von Faschisten begleiten. “Wie konnte das nur passieren? Warum wählen diese Leute denn Faschisten, obwohl Faschisten doch faschistisch sind?”
Mich ärgert dieses Erstaunen, weil es mir das Gefühl gibt, dass wir gesamtgesellschaftlich extrem weit davon entfernt sind, den (wiederaufkommenden) Faschismus und seine Funktionsweisen tatsächlich zu verstehen. Genau das wäre aber enorm wichtig, um ihm effektiv etwas entgegensetzen zu können.
Eine ganz ähnliche distanziert-verwunderte Haltung nimmt das Buch “Was Rechtspopulisten wollen” ein, was dieeses Jahr erschien und schnell zum bundesweiten Riesenerfolg wurde. In zugegebenermaßen sehr lustigen Graphiken will die Autorin aufzeigen, wie widersprüchlich Rechtsextreme sind. Dahinter steckt die Absicht, sie zu “entlarven”, in der Überzeugung, dass sie nicht mehr gewählt würden, wenn Menschen nur merkten, wie unlogisch und undurchdacht deren Forderungen sind. Das sieht dann zum Beispiel so aus: “Was Rechtsextreme wollen: Kopftuchverbot, Abtreibungsverbot, Genderverbot, Das Ende rot-grüner Verbotspolitik!”
Und die Deutschen lieben es, denn über Rechtsextreme zu lachen entspannt und sich zu vergewissern, dass sie ja ach-so-dumm seien, gibt einem das Gefühl, sich keine Sorgen machen zu müssen.
Doch widersprüchlich wirken rechtsextreme Forderungen nur dann, wenn man die dahinterliegenden Dynamiken nicht analysieren will. Denn wem die Faschisten Rechte zu- oder absprechen, welches Verbot sie einführen und welches sie aufheben wollen, ist keinesfalls zufällig oder willkürlich.
Es gibt einen einzigen zentralen Punkt, um den sich Rechtsextreme überall auf der Welt formieren: die Aufrechterhaltung von existierenden Machtstrukturen. Es geht darum, denjenigen, die die meiste Macht besitzen (reiche Männer) diese Macht weiterhin zuzusichern und sie sogar auszubauen. Alles, was sie fordern, lässt sich unter diesem Gesichtspunkt zusammenfassen. Sei es die Aufhebung von Steuern für Superreiche, das Ende von Einwanderung, Abtreibungsverbote oder sonstiges. Rechte wollen, dass sich diejenigen, die bis jetzt unterdrückt wurden, weiterhin klein machen und ja nicht auf die Idee kommen, ihre Rechte einzufordern, damit die reichen, mächtigen Arschlöcher dieser Welt weiterhin tun können, was sie seit Jahrzehnten tun, ohne dabei gestört zu werden. Genau deshalb werden Rechtsextreme weltweit von den reichsten Unternehmern der Welt unterstützt, da diese ein enormes Interesse an Politik haben, die ihre finanziellen Machtpositionen nicht ankratzen wird.
Wenn man das versteht, ist es auch kein Widerspruch mehr, dass Rechtsextreme “ein Ende von Verbotspolitik fordern”, während sie selbst alle möglichen Verbote einführen wollen. Denn bei Ersteren geht es um die Gruppe, für die Rechtsextreme hauptsächlich Politik machen, nämlich die Mächtigen. Diesen soll endlich nichts mehr verboten werden – sei es der globale Konzern, der keine Umweltstandards mehr einhalten oder Opa Heinz, der am Stammtisch nicht mehr auf politische Korrektheit achten müssen soll. Bei Letzterem dagegen geht es um marginalisierten Gruppen, die sich langsam aus Jahrzehnte-langer Unterdrückung zu befreien versuchen und daran mit Verboten gehindert werden sollen.
Was Rechte wollen, ist also in keinster Weise widersprüchlich, sondern konsequent. Genau diese Konsequenz, mit der sie ungerechte Machtverhältnisse zementieren und verschärfen wollen, ist brandgefährlich und muss erkannt werden, um bekämpft werden zu können. Dazu muss man hinter die Fassade gucken. Denn natürlich legen Rechtsextreme ihre Absichten nicht offen und versuchen rhetorisch zu verschleiern, für wen sie tatsächlich Politik machen, da ein nicht zu unterschätzender Teil ihres Erfolges von der Unterstützung derjenigen abhängt, die sie unterdrücken werden, sobald sie an der Macht sind.
(das war bei Hitler so, das ist bei der AfD so und bei Trump, dessen Hauptwählerschaft zwar weiße Männer sind, der aber ohne die Stimmen von Frauen, Afro-Amerikanern und anderen marginalisierten Gruppen nicht hätte Präsident werden können).
Dass diese Menschen ihre Schlächter selbst wählen, mag auf den ersten Blick widersprüchlich wirken. Doch Politik wird nun mal mit Emotionen gemacht, weniger mit Fakten. Die Emotion, die Rechtsextreme verkörpern, ist: “Wäre es nicht geil, wenn du stark und mächtig bist, wenn du es allen anderen zeigst, wenn du nicht mehr unterdrückt wirst, sondern selbst unterdrückst?” Diese Aussicht – sei sie auch noch so verlogen – trifft ganz besonders bei denen auf offene Ohren, die unter existierenden Machtstrukturen am meisten leiden. So verkaufen Rechtsextreme die falsche Hoffnung auf Austritt aus einer Falle, die sie selbst gebaut haben und schrauben sich selbst nebenbei in immer höhere politische Ämter – und uns alle an den Rand der globalen Katastrophe.
Das große Problem ist, dass liberale Politiker*innen, Journalist*innn und Meinungsmacher*innen größtenteils ignorieren, dass es auf unserer Welt überhaupt eklatante Machtstrukturen gibt. In ihrer Gedankenwelt ist da nur der Markt, der alle gleich behandelt und sowieso der Garant für alles Gute ist. Dieser Gedankenkette folgend, muss man unausweichlich ratlos dastehen, was die Ursachen und Lösungen des globalen Rechtsrucks angeht. Wer Machtstrukturen übersieht, wird niemals verstehen, entlang welcher Linien Rechtsextreme sich formieren.
Faschismus ist nichts anderes als bereits existierende Machtstrukturen auf Koks und Steroiden.
Bekämpfen werden wir ihn daher nur, wenn es politische Alternativen gibt, die glaubhaft ein Ende dieser Machtstrukturen versprechen anstatt sie nur immer weiter zu verwalten.