Wind pfeift durch ihr Haar, Ohren sind eisig, ein warmes Lächeln berührt ihren gekniffenen Blick. Jeden Samstag, wie jeden Sonntag, jedes Wochenende steht sie mir ihrem Tischlein auf dem Marktplatz. Die Familie hilft ihr gelegentlich. Ihr Enkel macht gerne für sie eine Teekanne am Morgen, bevor sie sich auf den Weg macht. Ihre Tochter begleitet sie oft am frühen Morgen, trotz harter Nachtschicht, in die Fußgängerzone, hilft ihr beim Aufbau des Ständchen und muss dann wieder los, um die Enkelin zum Sport zu bringen. So steht sie nun im kalten Wintermorgen alleine dort und wirkt etwas verloren im Wimmelbild der Innenstadt. Die Kekse, die sie am Morgen noch gebacken hat, haben leichte Wärme behalten und dampfen aus der Dose, wie der Atem, welcher wie aus Schornsteinen die vorbeiziehenden Menschen verlässt. Bunte Flackerbilder an gefühlt Kilometer hohen Wänden, überdecken ihre sorgfältig hingelegten antifaschistischen Sticker und Informationsblätter über die Machenschaften der Menschenfeindlichen Netzwerke, vom Dritten Weg über die Nordkreuz Gruppe, bis zum National ‚Solzialistischen‘ Untergrund (NSU). Die Verbrechen von Rechten in Deutschland und ihre Verstrickungen in die Bürgerliche Mitte, Wirtschaft und Politik verblassen im winterlichen Weihnachtsgetummel wie Erinnerungen an die Zeiten des Antifaschistischen Widerstandes in den Jahren um 1933. Dabei hilft auch nicht das überdimensionale Kinoplakat auf dem steht: ‚in Liebe, eure Hilde‘.
Sie geht unter in diesem Meer der Konsummöglichkeiten, die alle herumstreifenden Leute besser einsaugen, leichter fühlen lassen, als Informationen über die letzten Terrorakte von Nazis, die mehr wiegen als ein Ozean. Trotz dieser widrigen Bedingungen sitzt sie auf ihrem Schemel am Tisch, als würde sie genüsslich in der Sommersonne im Park sitzen und lächelt die Vorbeistreifenden an.
Der Wind pfeift immer stärker und sie kneift ihre Augen zusammen. Zwischen den vielen hin und her wackelnden Masken trifft ein klares Lächeln ihren gekniffenen Blick und sie weiß, dass sie hier genau richtig ist zwischen all den Menschen die gerade noch grimmig durch den Winterwind liefen. Nur einen Augenblick ist das nächste Lächeln, die nächste Interessierte entfernt. Am Ende des Tages liegen nur noch Krümel in der Keksdose. Auf dem Weg nach Hause sieht sie hier und dort ihre Sticker an kalten Laternen kleben. Morgen geht es weiter.